Siri Hustvedt « Die unsichtbare Frau » Rowohlt Taschenbuch Verlag 1995
« Die unsichtbare Frau » ist Siri Hustvedts erster Roman, den sie im Jahre 1992 bei Simon & Schuster in New York veröffentlichte. Das absichtlich verwendete Palindrom ihres eigenen Vornamens mit dem der Heldin Iris, veranlasste einige Kritiker und Leser dazu, dem Romandebüt autobiographische Züge zuzuordnen. Allerdings habe ich keinerlei Hinweise der Autorin selbst entdecken können. Es ist wohl anzunehmen, dass sie aus ihren Erfahrungsquellen schöpft.
Sie widmet diesen Roman, Paul Auster, ihrem Ehemann, der ebenfalls ein erfolgreicher Autor ist. Bezugnehmend auf diese Tatsache haben einige (böse) Zungen behauptet, Siri Hustvedt würde ihrem Ehemann nacheifern. Das entspringt der Tatsache, dass sich auch bei Paul Auster die Protagonisten auf die Suche nach ihrer eigenen Identität machen und dunkle oder verdrängte Geheimnisse hüten, die sie irgendwann einholen. Aber jetzt habe ich vorgegriffen. Da ich bereits mehrere Romane, sowohl von Siri Hustvedt, als auch von Paul Auster gelesen habe, kann ich das allerdings nicht bestätigen. Beide sind, nach meiner Ansicht, unabhängig in ihrer schriftstellerischen Tätigkeit.
Iris Vegan, die Hauptfigur ist Literaturstudentin und lebt in einer winzig kleinen Wohnung in Brooklyn. Sie ist schön und geheimnisvoll, fast elfenhaft habe ich sie vor mir gesehen. Sie ist klug und zerbrechlich, hat eine große Phantasie und ist gleichzeitig verloren.
Sie zieht Männer mit zwielichtigen Leidenschaften und einem nicht erfassbaren Charakter magisch an und verstrickt sich in unheimliche Beziehungen mit ihnen.
Sie ist fasziniert vom Andersartigen und Verbotenem.
Der Roman ist in vier unterschiedlich lange Episoden aufgeteilt, die alle das erzählerische Verwirrspiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit, Wahn und Alptraum zum Thema haben. Indem die Autorin sich sowohl thematisch, wie sprachlich in unbekannte und verwirrende Gefilde vorwagt, erscheint mir dieser Roman, wie ein literarisches Kunstwerk, das man intensiver betrachten sollte, weil es einem dann Einblicke gewährt, die man nicht auf den ersten Blick erkennt.
Siri Hustvedt beweist Mut mit dieser Geschichte, weil sie sich traut und Grenzen überschreitet und tiefer blickt. Dabei verliert sie leider manchmal die Orientierung zur eigentlichen Aussage. Ja, ich war manchmal fast verzweifelt und ratlos und hätte mir, so viel verrate ich, ein anderes Ende gewünscht.
Ihre Sprache ist klar und präzise und ihr Stil ist von einer Schönheit geprägt, der mich sehr beeindruckt hat. Ihre Formulierungen sind klug und weltgewandt, ihre Bilder verzaubern und sind von einer wunderbaren Ästhetik. Siri Hustvedt stellt die Leser vor die Wahl sich den Fragen des eigenen Bewusstseins, seiner Beeinflussbarkeit von außen und den damit verbundenen Konsequenzen für das eigene Handeln zu stellen. Allen, die keine Hemmungen davor haben, empfehle ich diesen Roman wärmstens.