Der letzte Prinz

Peter schaute in den Himmel. Es war Sommer – eigentlich – aber der Himmel war nur teilweise klar, die Sonne versteckte sich hinter einer ganz kleinen Wolke und weiter hinten war es dunkel und eine Gewitterfront kündigte sich an. Das war vielleicht ein Wort: Gewitterfront! Peter hatte es zum ersten Mal in den Nachrichten vom Wettermann gehört. Ein bedrohliches Wort, eines zum Angst bekommen. Peter hatte das Wort Front auch schon einige Male im Unterricht gehört und auch von der Großmutter. Er wusste nicht so recht, was es eigentlich bedeutete, er wusste nur, dass es nichts Gutes sein konnte..so wie es gesagt und benutzt wurde. Die Großmutter war immer sehr traurig, wenn sie sagte, – dein Großvater sei an der Front gefallen – und weinte dann oft leise. Peter verstand das nicht. Wie gefallen? Hingefallen? Da kann man doch wieder aufstehen. Hinfallen ist nicht so schlimm – sagte die Mama auch immer. Vielleicht ein aufgeschlagenes Knie oder eine Schramme am Arm. Die Großmutter musste den Großvater wirklich sehr gernhaben, wenn Sie deshalb so traurig wurde. Aber hinzufallen war auch kein Grund nicht zu Hause zu sein und der Großvater war nicht zu Hause. Wenn Peter fragte, wo denn der Großvater nun sei, begann die Großmutter zu weinen und Mama sagte dann: „Ganz bestimmt im Himmel!“

Und in eben diesen schaute Peter gerade und fragte sich, wie es wohl wäre dort zu sein. Lebte man auf einer Wolke? Der Sonne und dem Mond und den Sternen so nah? Hatte man dort ein Haus und hatte der Großvater dort etwa auch eine neue Großmutter? Was Peter ziemlich gemein finden würde – da seine Großmutter eine sehr liebe und nette Frau war und natürlich gut kochen konnte. Und im Trösten war sie unübertroffen. Sie hatte also alles, was ein Großvater brauchte.

„Peter, hallo! Bist du noch da?“

Peter erschrak – Frechheit, dachte er. Er hatte doch gerade nachgedacht. Herr Sievers schaute ihn freundlich an und sagte:

„Peter, du bist dran.“

Herr Sievers war der Deutschlehrer seiner Klasse und Peter hatte immer ein bisschen Angst vor ihm. Nein, nicht das Herr Sievers unfreundlich oder gar laut war, das war es nicht. Er war nur sehr groß und sehr breit und hatte eine riesige Nase, wirres, graues Haar und ganz helle, stechende Augen. Peter war sich sicher, dass Herr Sievers immer des Nachts zu einem Monster wurde, das kleine Kinder erschreckte. Er meinte das überhaupt nicht böse – ganz seine Art – sondern schelmisch, wie er nun mal war. Auf Klassenfahrt hatte Herr Sievers mal eine Gruselgeschichte erzählt und Peter hatte mächtig Angst. Irgendwie war die Geschichte ganz toll, spannend und aufregend, aber nachdem Herr Sievers dann – Gute Nacht – gesagt hatte und das Licht ausknipste, erschienen vor Peters Augen all die gruseligen Figuren.

Peter sah sich, wie in der Geschichte, in einem riesigen großen, alten Bett liegen in einem uralten Schloss. Er zog sich die Decke bis über die Ohren und zitterte ein wenig. Niemand außer ihm war in diesem Schloss. Oder etwa doch??.. Er war der letzte Prinz auf dieser Welt und fürchtete sich – wie es sich nun mal für einen Prinzen gehörte – vor fast gar nichts.
Aber eben nur vor fast, gar nichts, denn immer um Punkt Mitternacht hörte er Stimmen, die seinen Namen riefen und bläuliche Schatten, die an seinem Bett vorbeihuschten. Der letzte Prinz stand mutig auf und zog sich seine Prinzengaloschen an und ging die Treppe zum Speisesaal hinunter. Überall im Schloss hingen alte Gemälde von seinen Vorfahren. Mächtige, große Leute. Reich und erhaben. Und sie flößten ihm Ehrfurcht und Stolz ein. Peter blieb vor dem Bild seines Urururururgroßvaters stehen, der noch zu einer Zeit lebte, als es noch viele Prinzen und Könige und natürlich auch Prinzessinnen und Königinnen gab. Hach, was für ein Leben muss das gewesen sein?! Peter war ein bisschen neidisch auf das Leben seiner Vorfahren. Als letzter Prinz hatte man es nicht leicht. Man war ja immer allein und hatte niemanden zum Spielen. Und eine Prinzessin konnte er ja auch niemals finden, weil es ja keine mehr gab. Nun hatte der letzte Prinz eben viele Reichtümer, Gold und Edelsteine und dieses alte Schloss und natürlich auch viele, viele Spielsachen, aber niemand, der mit ihm spielte. Das machte den Prinzen schon ein bisschen traurig. Und als er so gedankenversunken auf das Gemälde aus den guten, alten Zeiten starrte – rief plötzlich der Urururururgroßvater:

„Erschrick dich nicht!“

Peter erschrak so sehr, dass er fast aus seinen Galoschen fiel und war auf einmal wieder in dem Schlafsaal mit seiner Schulklasse. Das merkte er daran, das ein paar Mädchen laut kreischten und die Jungen lachten. Herr Sievers war vielleicht gut! Wie sollte man sich denn da nicht erschrecken, wenn so ein altes Gemälde plötzlich zu einem sprach!

„Hallo Peter, du kleiner Träumer, hast du mich gar nicht gehört?!“, drang es an Peters Ohr.

Lisa, die neben Peter saß, gab ihm einen Stups in die Seite und kicherte blöde. Peter mochte Lisa nicht. Sie kicherte immerzu und tuschelte ständig mit ihren Freundinnen. Außerdem bekam sie immer bessere Noten als er. Das einzige, was er mochte, war ihr Haar. Sie hatte wunderschönes, langes Haar in einem goldenen Ton und in der Sonne glitzerte es wie verrückt. Wenn sie nur nicht so viel kichern würde und so frech wäre, dann wäre sie die perfekte Prinzessin für den letzten Prinzen, dachte Peter. Durch den Stups von Lisa fiel Peter zur Seite und wurde rot.

„Mann, blöde Zicke, was soll das?“, rief er erbost.

„Du bist dran, du Zwerg.“, sagte Lisa höhnisch.

„Ich bin der letzte Prinz auf dieser Welt und ich werde dich bestrafen, weil du blöde Witze über meine Größe machst.“ entfuhr es Peter.

Alle Kinder lachten laut los und auch Herr Sievers musste grinsen.

„Du willst ein Prinz sein?“, kreischte Lisa und hob verächtlich die Augenbrauen.

„Du bist also der letzte Prinz auf dieser Erde?“, fragte Herr Sievers amüsiert.

„Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe!“, stöhnte Peter.

Es war ihm peinlich, dass er das laut gesagt hatte. Aber er war vor allem wütend, dass Lisa ihn Zwerg genannt hatte.

Peter war der Kleinste in der Klasse, ja, auch der Kleinste im Fußballverein und überhaupt fast überall einfach und er hasste das. Seine Mutter sagte zwar immer, dass es nicht auf die Größe ankommen würde, sondern viel mehr auf den Verstand. Aber seine Mutter hatte eben keine Ahnung. Die Helden in Peters Büchern waren immer groß und stark. Man musste doch groß und stark sein, um die Welt zu retten. Natürlich brauchte man auch Mut und Verstand, das war Peter schon klar, aber eben auch Muskeln, um sich Gegnern, wie den dreiköpfigen Drachen oder den Riesenmonstern aus der Unterwelt entgegenstellen zu können. Das war ein Fakt, egal was die Mutter sagte. Er konnte ja schwerlich die Monster mit seinem brillanten Verstand – haha – zu Boden reden. Mit Formeln und Vokabeln oder Fakten aus dem Deutschunterricht. Seine Mutter hatte einfach von solchen Dingen keine Ahnung. Sie war eben auch eine Frau und eine Mama und Mamas sagen so Sachen, um ihre Kinder zu trösten und zu beruhigen. Das ist die Aufgabe von Mamas. Aber aus diesem Alter war Peter raus, er hatte das durchschaut. Jetzt, da er etwas länger darüber nachgedacht hatte, belustigte ihn diese Vorstellung aber doch ein bisschen. Er stellte sich ein Riesenungetüm vor und er, der letzte Prinz, klein, wie ein Zwerg redete dem Monster seine vielen Ohren weg. Er redete und redete unaufhörlich, bis das Monster bettelte und flehte, das er aufhören möge. Aber er quatschte und quatschte einfach weiter: Geschichtszahlen, Mathematikregeln, Rechtschreibformeln und alles was ihm noch einfiel und ihn klug erscheinen ließ. Solange, bis das Monster kampflos aufgeben würde.
Und von diesem Zeitpunkt an mit ihm in seinem einsamen Schloss wohnte, dass nun nicht mehr einsam war, und sein Spielkamerad wurde. Somit hatte der letzte Prinz auf dieser Welt den coolsten Freund überhaupt. Eigentlich waren es ja gleich drei Freunde, da das Monster ja drei Köpfe hatte.

„Eh, Zwergenkönig, du bist dran. Erzähl uns deine Heldentaten! Du bist draaaaannnn…“ rief jemand.

„Also, Peter im Ernst..wir haben jetzt schon alle anderen Kinder gehört. Setz dich bitte in die Mitte und erzähle uns von deinem schönsten Ferienerlebnis.“ sagte Herr Sievers.

Auch noch in die Mitte, dachte Peter. Die Kinder saßen in einem großen Kreis.
In der Mitte davon zu sitzen ist ja, als würde einen die Zirkelspitze piksen. Das würde doch weh tun und die anderen würden ja nur sanft von der Bleistiftmine berührt werden. Peter, wollte gerade, gefasst auf den stechenden Schmerz, in die Mitte gehen, als er einen Widerstand verspürte. Chris, der auf der anderen Seite neben ihm gesessen hatte, hielt ihn an seiner grünen Jacke fest und rief glucksend:

„Froschkönig, kleiner giftiger Froschkönig – nun geh schon.“

Peter war den Tränen nahe und sah sich gezwungen, seinen neuen drei Freunden – dem Monster zu befehlen, Chris aufzufressen.
Das hatte er nicht anders verdient. Neulich auf dem Weg nach Hause im Bus hatte Chris ihm sein Basecape vom Kopf gerissen und es hoch in die Luft gehalten, sodass Peter nicht ankam.

„Gib es mir wieder.“, bettelte Peter verzweifelt.

Als der Bus an einer Haltestelle anhielt und sich die Tür öffnete, warf Chris es einfach raus und lachte sich schlapp dabei. Zu Hause würde es furchtbaren Ärger geben, wenn Peter ohne sein Basecape auftauchte. Also sprang Peter aus dem Bus und als er gerade wieder einsteigen wollte mit dem Basecape in der Hand, fuhr der Bus los und Peter sah nur noch das fiese Grinsen von Chris an der Scheibe. Peter ging den Rest des Weges zu Fuß nach Hause und bekam Ärger, weil er zu spät kam.

„Hast du wieder einmal getrödelt?“, fragte die Mutter liebevoll. „Peter, ich habe dir doch schon tausendmal…“

„Chris, lass sofort die Jacke los!“, sagte Herr Sievers streng.

Chris ließ los und weil Peter sich schon allein befreien wollte, war der Widerstand zu groß und er fiel nach vorn, fast auf Kathrin drauf und rempelte sie um.

„Liebespaar, küsst euch ma..“ tönte es aus einer Ecke.

Oh ja, dachte Peter – nur zu gern. Er mochte Kathrin ganz besonders gern. Sie war so schön und so überhaupt nicht zickig, wie die anderen Mädchen.
Sie wäre die absolut perfekte Prinzessin. Er stellte sich vor, wie zu ihrer Hochzeit die Riesenglocken in der Riesenkirche, die gleich neben seinem Schloss stand, läuteten . Der letzte Prinz hatte seinen schönsten Umhang umgelegt – purer, roter Samt und extra frisch gebadet und sich eingecremt. Kathrin sah bezaubernd aus. Sie hatte ein langes, weißes Kleid an, auf dem überall Broschen in Form von Schmetterlingen in Gold und Silber befestigt waren. Sie trug einen Haarreif in ihrem dunkelbraunen Haar, das sich in der Mitte zu einer Sonne aus puren Gold annahm. Sie war die Schönste im ganzen Raum und der letzte Prinz freute sich sehr, so eine schöne und nette Prinzessin gefunden zu haben. Das ganze Volk war anwesend und jubelte den Beiden zu. Auch Herr und Frau Fischer, Kathrins Eltern, waren natürlich da und klatschten verzückt in die Hände. Plötzlich rief jemand aus der Mitte des Volkes:

„Ich bin so stolz auf dich, mein Junge!“

Der Prinz erkannte die Stimme nicht und sah seine Mutter fragend an.

„Sieh nur, Peter! Sogar dein Großvater ist aus dem Himmel gekommen, um bei deiner Hochzeit dabei zu sein.”

Der Prinz war überglücklich und schaute sofort zu seiner Großmutter, die Tränen der Freude und Überraschung in den Augen hatte und dem Himmelsgroßvater um den Hals fiel. Ein Glück hatte er wohl keine neue Großmutter im Himmel genommen, das hätte ja vielleicht auch einen großen Ärger gegeben.

„Peter, kannst du bitte aufstehen, du tust mir weh.“, sagte Kathrin.

Merkwürdig!! Kathrin hatte Jeans an und das glitzernde Shirt mit der Aufschrift – Girl – das Peter so mochte. Aber wo war ihr langes, weißes Kleid? Na ja, so oder so, mochte Peter Kathrin sehr gern.

„Entschuldige bitte!“, sagte Peter schüchtern und erhob sich.

Kathrin lächelte: „Schon gut! Nicht so schlimm“ und
„Du bist ein Idiot, Chris.“, setzte sie noch nach.

In diesem Augenblick wusste Peter nun ganz genau, dass sie seine Prinzessin sein würde. Chris müsste nun doch nicht aufgefressen werden, stattdessen würde er ihr gemeinsamer lebenslanger Diener werden. Da waren sich Kathrin und Peter einig, sie wollten ja keine grausamen Herrscher sein. Nur streng, wenn es gar nicht anders ging. Aber sie würden zusammen Chris Freundlichkeit und Benehmen beibringen und wenn er erstmal sehen würde, wie schön es ist, gemocht zu werden, dann würde er von ganz allein freundlich sein. Sie wollten ja gerecht und fair über ihr Volk herrschen, sodass es allen gut ginge und ihr Gold und ihre Edelsteine mit allen teilen. Und so könnten sie mit dem dreiköpfigen Monster und ihrem Diener Chris mit all den schönen Spielsachen spielen.

„Chris, du bleibst nach dem Unterricht bitte noch 5 Minuten da, ich habe etwas mit dir zu besprechen.“, sagte Herr Sievers.

„JA, JA!“ maulte Chris, der diese Ansage nicht zum ersten Mal hörte.

„Und jetzt entschuldigst du dich bitte noch bei Peter!“

„Wie peinlich“, rutschte es Chris raus.

„Na, na..!“

„Ja, schon gut, Tschuldigung Froschkönig.“

Peter überlegte kurz, ob Chris nicht doch lieber aufgefressen werden sollte.

Er setzte sich in die Mitte, kniff die Augen zusammen und wartete auf den Piecks der Zirkelspitze. Nichts geschah.

„Alles in Ordnung, Peter?“, fragte Herr Sievers -, „Hast du dich verletzt bei dem Sturz?“

Als Peter merkte, dass es nicht pikste, sagte er erleichtert:

„Alles in Ordnung, nichts passiert.“

Herr Sievers setzte an, als wolle er eine große Rede halten:

„Liebe Kinder…“

und Peter dachte – er wird unser Bürgermeister, geübt in laut und deutlich reden und wir Kinder in der Schule hören ihm ja schließlich auch alle zu. Wenn ich, der letzte Prinz, und meine wunderschöne Prinzessin unserem Volk erklären, dass er nur sehr beängstigend aussieht, aber in Wirklichkeit sehr freundlich und klug ist, dann werden sie uns glauben und ihn zum Stadtsprecher und Bürgermeister wählen.

„..jetzt ist Peter dran und wird uns sein schönstes Ferienerlebnis erzählen.“

Eine kurze, bedächtige Pause und da war Peter sich sicher, dass er der Richtige für diese Wahl war.

„Peter, also bitte beginne. Ich glaube, wir können uns auf eine spannende Geschichte freuen.“

„Ähm, was bitte nochmal?“, fragte Peter, der gerade noch bei der Stimmenzählung für die Bürgermeisterwahl war.

„Worüber soll ich noch mal sprechen?“

„Ach, Peter…, wo bist du nur immer mit deinen Gedanken?!“, sagte Herr Sievers fast zu sich selbst.
„Dein schönstes Ferienerlebnis – klingelt es da?“

„Ach, der hat doch nur in seinem Zwergenschloss gesessen die ganzen Ferien“, rief Lisa.

„Und wurde von der garstigen Prinzessin immer wieder gegen die Wand geschmissen, weil er einfach nur so ein hässlicher, kleiner Frosch ist – tja hat nix gebracht, aus ihm wurde einfach kein schöner Prinz..haha..“, fügte Chris hinzu.

Die meisten Kinder lachten. Nur Kathrin nicht, sie zwinkerte Peter zu und per Gedankenübertragung vernahm Peter die Worte – lass nur, die Idioten, die haben doch keine Ahnung, wie mutig und stark du bist.

Er sendete ihr sofort zurück – und du bist auch überhaupt nicht garstig und würdest mich niemals gegen eine Wand werfen.

Kathrin lächelte und so wusste Peter, dass sie verstanden hatte.

„Chris, Lisa, jetzt ist endgültig Schluss! Ich bin so enttäuscht von euch. Es ist so schönes Wetter und ich denk mir, ich mache euch eine Freude, wenn wir den Unterricht nach draußen verlegen und ihr beide macht einfach nur Ärger und seid gemein zu eurem Mitschüler.“

Herr Sievers war wirklich wütend und niemand lachte mehr.

„Ich wünsche keinerlei Störung mehr, damit das klar ist! Chris und Lisa, ihr gebt mir eurer Hausaufgabenheft, damit ich euren Eltern mitteilen kann, wie ihr euch benommen habt.“

Alle begriffen den Ernst der Lage und keiner sagte ein Wort. Chris war der Eintrag wohl egal, aber Lisa liefen Tränen über die Wangen, da sie bestimmt mächtig Ärger zu Hause bekäme. Das tat Peter jetzt doch leid und er überlegte, warum und wie Lisa wohl so böse geworden war. Sie war bestimmt mal ein ganz nettes Mädchen und dann muss irgendwas passiert sein, dass sie böse und hochmütig wurde.

Die Eltern von Lisa waren ein Herzogspaar im großen Volke des letzten Prinzen und Lisa war ihr einziges Kind, das sie über alles liebten und sie verwöhnten sie, und konnten ihr keinen Wunsch abschlagen. Lisa war ein liebes Kind, aber im Laufe der Zeit glaubte sie, dass es nichts und niemand geben würde, der so wichtig war, wie sie und alle müssten tun, was sie wollte. Sie musste nie ihr Zimmer aufräumen, nie ihrer Mutter helfen und bekam alles, was sie haben wollte. Sie hatte viele Diener, die sie hochnäsig herumkommandierte und auch ihre Eltern waren nur noch dafür da, dass es ausschließlich ihr gut ging. Ihre Wünsche wurden immer größer und unerfüllbarer. So wünschte sie sich zum Beispiel ewige Schönheit oder einen Brunnen mit dem reinsten Wasser der Welt.
Die Eltern merkten, dass sie etwas falsch gemacht hatten und wollten dies ändern. Sie wurden streng mit Lisa. Sie verstand die Welt nicht mehr und als sie den größten ihrer Wünsche äußerte, da reichte es den Eltern ganz und gar und sie bekam Stubenarrest. Sie wollte doch tatsächlich den letzten Prinzen heiraten und damit eine unbesiegbare Prinzessin werden.

„Bitte, Herr Sievers, bitte, tragen sie Lisa nichts ins Hausaufgabenheft. Sehen sie doch, sie weint schon. Es war doch nur Spaß, was sie gesagt hat und ich fand es nicht so schlimm“, sagte Peter bettelnd zu seinem Lehrer.

„Peter ist in Lisa verknallt“, brüllte Chris und hielt sich den Bauch vor Lachen.

„Das stimmt gar nicht. Ich will nur nicht, dass Lisa Stubenarrest bekommt.“

Lisa sah Peter verwundert und dankbar an und hörte auf zu weinen. Ha, ich wusste es, dachte Peter. Sie ist ein guter Mensch und noch nicht verloren.

„Ich werde es mir überlegen, wenn ab jetzt Ruhe herrscht. Die Zeit läuft uns davon, also beginne jetzt endlich, Peter! Und Chris, von dir bitte keinen einzigen Mucks mehr.“

Peter setzte sich in den Schneidersitz und begann seine Geschichte zu erzählen:

„Meine Mutter, mein Vater und meine kleine Schwester Marie und ich sind mit dem Auto nach Italien gefahren.“

„Ich liebe Italien“, schwärmte Herr Sievers. „Oh, entschuldige, für die Unterbrechung. Es ist nur so ein herrliches Land.“

„Wir mussten auf so Straßen fahren, die ganz schmal waren und oft, wie Schleifen aussahen. Mitten durch die Berge und Marie dachte schon, wir wären so lange gefahren, dass es schon Winter geworden war, weil überall Schnee auf den Bergspitzen lag. Na ja, Marie ist erst 5 Jahre alt. Als wir gerade in Italien angekommen waren – und Marie dachte, es wäre schon wieder Sommer geworden – da klingelte das Telefon meines Vaters.

Die ganze Familie hatte sich schon gewundert, dass es nicht schon früher geklingelt hatte, denn mein Vater ist ein ganz, ganz wichtiger Mann, müsst ihr wissen. Er ist oft in geheimer Mission unterwegs und wenn er zu Hause ist und sein Telefon klingelt, dann muss er meist sofort weg. Für meine Mutter ist das okay, sie weiß ja, dass er die Welt retten geht und ist ganz stolz auf ihn. Einer muss es ja tun! – sagt sie immer. Außerdem arbeitet sie im Gemüseladen von Tante Elke und die beiden haben sich immer viel zu erzählen.

Jedenfalls klingelte das Telefon und mein Vater ging kurz ran, sagte ah, und oh und alles klar..und schaute uns dann fest in die Augen. Wir dürfen natürlich nie hören, was gesprochen wird. Ich habe euch eine wichtige Mitteilung zu machen, sagte mein Vater, nachdem er aufgelegt hatte. Der letzte Prinz auf dieser Welt ist in Gefahr – und der Arme weiß noch gar nichts davon. Es gibt Kreaturen und böse Menschen, die ihn vernichten wollen. Aus Neid und Habgier. Also..ihr müsst mir helfen, ihn zu retten. Jetzt kann ich es ja sagen:

Mein Vater ist der größte Superheld auf der Welt und wird immer nur dann gerufen, wenn es ganz schlimm und die ganze Welt in Gefahr ist.

Wir wollten natürlich mehr erfahren und waren doch sehr erstaunt, dass er uns diesmal einweihte. Wir gingen erstmal in eine Pizzeria, da wir von der langen Fahrt ganz hungrig waren. Dort aßen wir die köstlichste Pizza, die ich je gegessen hatte. Die gibt es nun mal nur in Italien. Marie war schon ganz müde und quengelte die ganze Zeit herum. Deshalb gingen wir erstmal in unser Hotelzimmer und brachten Marie ins Bettchen. Dann knipste mein Vater die Stehlampe an..und!!!! holte den geheimen Koffer hervor. Ich muss zugeben, ich bekam sogar ein bisschen Angst. Ich hatte den Koffer ja schon oft gesehen, aber es war mir strengstens verboten, auch nur in seine Nähe zu kommen. Also, mein Vater legte den Koffer auf den Schreibtisch und gab verdeckt einen Zahlencode ein. Und siehe da…der Koffer öffnet sich und meine Mutter sagt nur OH und Ah…und das gibt’s doch gar nicht. Ich hätte sie am liebsten beiseite geschoben, um mehr sehen zu können. Mein Vater schaute uns ernst an und begann den Inhalt zu erklären.

Hier, ein silberner Umhang – damit kann man unsichtbar werden.

Dann sind da noch verschiedene Fläschen mit leuchtenden Flüssigkeiten gefüllt.

Mein Vater erklärte:

Orange – Muskeln verdoppeln.
Grün – Sehverstärker, man kann sehr weit sehen, auch durch Mauern .
Weiß – Hörverstärker.
Blau – Verdoppler, man wird doppelt so groß.
Rot – Verkleinerer, logisch, man ist nur noch halb so groß.
Lila – Starke Faust.
Gelb – Man kann durch alle Wände gehen.
Türkis – Man kann fliegen.

Es gibt noch einige mehr, aber das sind erstmal die Wichtigsten.
Aber Vorsicht!
Man darf nur immer einen ganz kleinen Schluck nehmen, ansonsten wird einem sehr übel und man muss einige Tage ins Bett. Unser Labor arbeitet schon daran, ein Mittelchen gegen die Übelkeit zu erfinden, haben es aber bis jetzt leider noch nicht gefunden.

Dann befand sich unter anderem noch eine Zeitung im Koffer, die gar keine richtige Zeitung war. Wenn man sie lesen will, ist sie durchsichtig. Das nenne ich aber mal clever, sagte ich zu meinem Vater. Die Anderen denken, man sitzt da, trinkt seinen Tee oder Kaffee – die Erwachsenen trinken ja andauernd Kaffee – und liest die Morgenzeitung aber in Wirklichkeit kann man alle anderen in Ruhe beobachten. Mein Vater lächelte mich an.

Dann war da noch ein Apfel, der total saftig und lecker aussah. Mein Vater erklärte: Das Superheldenlabor hätte sich bei dem Apfel an Schneewittchen orientiert. Man konnte den Feind mit einem Handschlag für eine kurze Zeit – vorher musste man sich natürlich eine durchsichtige Flüssigkeit auf die Handfläche reiben – zum Freund werden lassen und ihm dann den besagten Apfel anbieten. Weil er ja durch die Freundschaftsflüssigkeit für einige Momente dein Kumpel war, nahm er meist den Apfel dankbar an.

Da die Leute aus dem Labor ja nur für Superhelden zuständig waren, die ausschließlich gute Taten vollbrachten, sollte der vermeintliche Feind nicht ersticken an dem Apfel.

Außerdem fanden die Erfinder Schneewittchen auch viel zu altmodisch und gemein – es war ja auch nur ein Märchen, nix Wahres dran. Also enthielt der Apfel konzentriertes Lachpulver. Man muss sich das so vorstellen: Die Bösen, die kurz gerade dein Freund sind, beißen in den Apfel und müssen plötzlich herzhaft lachen. Nur ein Happs reicht und sie sind fröhlich und vergnügt.

Mein Vater legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: Und meistens ist das schon das Ende meines Einsatzes. Denn verstehst du, Junge?! Wenn die Menschen lustig sind, dann sind sie auch oft glücklich und vergessen ihre bösen Absichten. Bauen sich ein schönes Haus und suchen sich eine nette Frau, bekommen viele Kinder und haben jede Menge Freunde.

Ja, sagte meine Mutter: Lachen ist ein gutes Heilmittel, das hab ich schon immer gewusst. Mein Vater sah meine Mutter ganz verliebt an, sodass es mir schon fast ein bisschen peinlich war. Ähm, sagte mein Vater: also ja, du hast recht, aber es gibt auch hartnäckigere Fälle. Bei denen wirkt das Lachmittel nur vorübergehend und danach sind sie wieder ganz die alten Bösewichter. Dann hat man keine Wahl und muss den Vergessenheitstrunk brauen.

Oh, sagte ich zu meinem Vater: Weißt du, wie man den macht?

Ja, na klar..es ist ganz einfach: Man braucht nur etwas Zitronenlimonade, einen Esslöffel Zucker, ein Wiener Würstchen, zwei Messlöffel Spül- oder Waschmittel, eine große Portion Kräuterquark und zu guter Letzt ein Haar von dem hartnäckigen Bösen. Ach ja, und eine Tüte schön süße Fruchtbonbons braucht man auch noch.

Puh, was für eine gruselige Mischung..sagte meine Mutter und verzog das Gesicht dabei.

Mein Vater grinste..ja, ich weiß, aber so ist das Rezept. Also man muss alles, außer die Bonbons in einen Mixer tun und auf höchster Stufe 10 Minuten mixen.

Es funktioniert, wie folgt: Hat der Feind vom Apfel abgebissen und ist für einen Moment fröhlich und arglos, dann bietet man ihm einen Fruchtbonbon an. Während man ihm die Tüte hinhält, versucht man mit der anderen Hand, so unauffällig, wie möglich, ihm ein Haar zu stehlen.

Ohmann, sagte ich..das ist aber gar nicht so einfach..und außerdem woher weißt du denn eigentlich, dass der Apfel nicht gereicht hat und der Bösewicht wieder böse wird?

Fantastisch, mein Sohn. Sehr gut aufgepasst, sehr aufmerksam. Also weißt, du..das ist das eigentliche Können der Superhelden. Den Feind richtig einzuschätzen und richtig zu entscheiden und zu handeln. Wir haben in der Superheldenschule extra Unterricht dafür. Es werden uns über eine Million Leute vor die Nase gestellt und wir müssen erkennen, was für ein Mensch hinter jedem Einzelnen wirklich steckt.

Wow..sagte ich..das sind echt viele. Ich verstehe. Ja, das Wichtigste ist, den Menschen zu durchschauen.

Also so in etwa, könnte es gehen: Man legt die Hand auf die Schulter des Feindes und während er sich auf die super leckeren Bonbons konzentriert, klaut man ihm das Haar. Jetzt wird die Zeit knapp, denn die Wirkung des Lachmittels hält nur ein paar Stunden an. Man muss sich also eine gute Ausrede einfallen lassen und sich schnellstmöglich in die Küche begeben, wo es hoffentlich einen gut funktionierenden Mixer gibt. Wenn es keine Küche oder auch nur keinen Mixer gibt, dann muss man den Unsichtbarkeitsmantel benutzen und einen winzigen Schluck vom Gelben Trank nehmen und dann kann man durch alle Wände in eine x-beliebige Wohnung gehen. Wenn die Bewohner zu Hause sind, dann muss man ihnen das Anhaltemittel vorsichtig ins Gesicht sprühen, was kein Problem ist, da man ja unsichtbar ist und das Mittel nicht weh tut. Sie bleiben dann für eine gewisse Zeit genau in der Position, in der sie gerade waren. Sie hören und sehen nichts und das hält genau 15 Minuten an. Jetzt also muss es schnell gehen.
Alle Zutaten für den Vergessenheitstrunk in den Mixer und auf höchster Stufe 10 Minuten mixen. Dann noch schnell alles abwaschen und trocknen und dann nix wie weg aus der fremden Wohnung.

Wenn die Bewohner wieder zu sich kommen, sind sie ein bisschen durcheinander, schütteln sich kurz und haben aber überhaupt nichts bemerkt.

Jetzt schnell…man kann nur hoffen, dass die Wirkung des Lachpulvers noch anhält. Jetzt noch mal ein kräftiger Händedruck mit der durchsichtigen Freundschaftscreme und dann zwei Gläser mit dem Vergessenheitstrunk einfüllen und anbieten. Man selber muss natürlich nur so tun, als wenn man trinkt. Auch das lernt man auf der Superheldenschule. Da der Feind ja einige süße Fruchtbonbons gegessen hat, hat er meist großen Durst und freut sich über ein Getränk. Da der Durst dann meistens so groß ist, nach den Süßigkeiten, trinken die meisten den Trank in einem Zug leer, bevor sie merken, dass er super eklig schmeckt. Meistens geht es dann den ehemaligen Fieslingen überhaupt nicht gut. Sie haben Bauchweh und müssen für zwei – drei Tage ins Bett. Und nach dieser Zeit des Erholens haben sie in fast allen Fällen all ihre Missetaten vergessen, auch ihre schlimme Geschichte, ihre bösen Absichten und Gedanken, einfach alles negative vergessen.

Sie können sich nur noch an den letzten Zustand der Unbefangenheit und Fröhlichkeit erinnern und werden gute Menschen. Sie erkennen ihre boshaften Kumpel nicht mehr und führen ein angenehmes und freundliches Leben.

Und so erzählte mein Vater noch weitere, total spannende Geschichten..fast die ganze Nacht. Und am nächsten Tag schmiedeten wir einen ausgeklügelten Plan, wie wir den letzten Prinzen retten könnten. Aber das ist leider streng geheim, das müsst ihr verstehen, dass ich darüber leider nicht erzählen kann. Nur so viel! Es war ein großes Abenteuer!“

Herr Sievers klatschte in die Hände und Peter erschrak. Er war so vertieft in seine Geschichte, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass bereits Pause war.

„Also, schade, lieber Peter. Unsere Stunde ist leider zu Ende. Das war eine sehr aufregende Geschichte, ähm.., ich meine ein sehr aufregendes Ferienerlebnis.. Vielleicht kannst du uns bei Gelegenheit noch mehr erzählen.“

Herr Sievers hatte ein winziges Lächeln auf seinen Lippen.

Chris rief seinem besten Freund Jonas zu: „Sein Vater ein Superheld, dass ich nicht lache.“

„Chris, höre doch endlich auf so boshaft zu sein. Das ist ja furchtbar und nervt unglaublich“, sagte Herr Sievers und zu Peter: „Vielleicht kannst du deine Geschichte mal aufschreiben und sie mir geben, dann lese ich sie mir noch mal in aller Ruhe durch. Das würde mir sehr großen Spaß machen.
Und jetzt – alle Kinder ganz schnell zum Sportunterricht, die Pause ist gleich vorbei. Und Chris! Dein Hausaufgabenheft bitte noch!

Chris lieferte maulig sein Heft bei Herrn Sievers ab und sagte laut:

„Jetzt hat uns dieser blöde Affenfroschkönig auch noch die ganze Pause versaut und einen Eintrag bekomme ich auch noch obendrauf.“

Herr Sievers konnte diese Bemerkung leider nicht mehr hören, da er schon auf dem Weg zum Schulgebäude war.

„Das zahlen wir dem Miniblödprinzen heim, und zwar richtig“, fügte Chris noch hinzu.

Jonas grinste böse und sagte zu Chris: „Also so viel ich weiß, ist sein Vater arbeitslos. Ich habe gehört, wie mein Vater es erwähnte. Pah-Superheld, der hat sie doch nicht mehr alle.“ Und zu Peter: „Du hast nen arbeitslosen Superhelden als Vater, wie peinlich. Wahnsinn, ich würde ja so gern mit dir tauschen – dann bekäme ich bestimmt auch so furchtbar hässliche Klamotten, wie du.“

Chris zog ein paar Grimassen in Richtung Peter und Jonas, der wie eine Marionette wirkte, äffte einfach alles nach.Peter hörte nicht auf ihre bösen Worte oder sagen wir lieber, er versuchte nicht darauf zu hören.
Tief im Inneren schmerzte es ihn aber sehr. Sein Vater war tatsächlich seit einem Jahr arbeitslos und Peter musste abgetragene Klamotten, die seine Mutter irgendwo erstand, anziehen. Peter machte das überhaupt nichts aus, wenn da nicht die anderen Kinder wären, diese Kinder, wie Chris eben, die ihn ständig damit ärgerten. Was Peter schlimm fand, war der Umstand, das sein Vater oft sehr traurig war, das tat Peter sehr weh, weil sein Papa ja nun mal sein Papa war und eigentlich sehr freundlich und fröhlich. Er erzählte immer während des Abendessens zum Beispiel Witze und seine Mutter musste oft so sehr lachen, das sie fast heulte. Dann nahm er sie in den Arm und kitzelte sie, damit sie noch mehr lachen musste. Das tat er nun schon seit einiger Zeit nicht mehr. Aber Peter wusste genau, dass sein Vater ein Held war und Chris nur ein Dummschwätzer.

Peter lief auf den Sportplatz und war ausnahmsweise mal nicht der Letzte. Herr Paulsen begrüßte die Kinder mit einem kräftigen Sport frei. Alle setzten sich auf die Bank und Maximilian, Peters bester und längster Freund, setzte sich neben Peter. Sie waren schon zusammen im Kindergarten  und auch in der Grundschule gewesen und verstanden sich sehr gut. Ihre Eltern kannten sich ebenfalls und hatten sich gemeinsam bemüht, dass die beiden Jungen auf ein und dieselbe Schule gehen könnten.

Maxi flüsterte Peter zu: „Deine Geschichte war der Hammer – Klasse! Lass dich bloß nicht ärgern von diesen Dummköpfen. Ich meine, dein Vater ist ja auch ein geheimer Superheld und da braucht er ja schließlich eine Tarnung und Zeit. Wenn er einen richtigen Job hätte, dann könnte er ja nicht mehr die Welt retten.“

„Leise, Jungs! Ich erkläre gerade, was wir heute machen und bitte um eure Aufmerksamkeit. Dankeschön!“, sagte Herr Paulsen.

„Danke, Maxi! Du bist ein wahrer Freund. Und du hast recht, Chris ist nur neidisch.“ Und die beiden Jungen mussten lachen.

Die Sportstunde verging wie im Fluge und Peter blieb lieber die ganze Zeit in der Nähe von Maxi und versuchte Chris nicht in die Quere zu kommen. Die Mädchen übten Seilspringen mit Frau Johannsen und Peter schaute heimlich, so oft er konnte, verzückt zu Kathrin. Sie war einfach wunderbar.

Die Jungen machten Geräteturnen und auch Peter bemerkte Kathrins heimliche Blicke. Das freute ihn sehr. Nach der Sportstunde blieben er und Maxi einfach noch eine kleine Weile auf dem Sportplatz.

„Mannomann, du bist aber mächtig rot geworden, als du auf Kathrin geknallt bist. Du magst sie, stimmt’s?“ fragte Maxi.

„Ja, ich mag sie wirklich und ich weiß, sie wird meine Königin und wir bekommen viele kleine Prinzessinnen und Prinzen und dann hab ich mein Königreich vor dem Untergang bewahrt und bin ein stolzer König. Aber bis dahin muss ich noch jede Menge Abenteuer bestehen und die bösen Mächte besiegen.“

„Ich könnte dein treuer Gehilfe sein“, sagte Maxi. „Ich möchte doch auch so gern mal dein Königreich sehen. Ich habe schon so viel Aufregendes und Spannendes darüber gehört. Nimmst du mich mal irgendwann mit? Ich bin ja ein wahrer Freund und verrate niemandem etwas.“

„Wenn die Zeit reif ist!“, sagte Peter ernst. „Noch ist es zu gefährlich für dich. Ich weiß nicht, ob ich dich dort richtig beschützen kann. Aber sei nicht traurig, wenn ich die Ungeheuer besiegt habe und alles Böse gewichen ist, dann nehme ich dich jeden Tag mit und du kannst mit all meinen schönen Spielsachen spielen, als wären es deine. Wir sind Brüder dann!“

„Ich verstehe und danke dir schon jetzt. Das wird ja vielleicht aufregend!
Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“ fragte Maxi schüchtern.

„Ja, schieß los – bei mir ist es sicher!“, rief Peter neugierig.

„Ich mag Lisa. Sie hat so goldenes, glänzendes Haar, ach, wenn sie doch nur nicht so zickig wäre.“

„Ich mag Lisas Haar auch“, sagte Peter.

„Du wirst doch aber nicht um sie werben, oder? Immerhin bist du ein herrschaftlicher Prinz und ich nur ein kleiner Junge.“

„Aber nein! Ich sagte doch schon, das Kathi meine Prinzessin werden soll. Ich mag nur Lisas Haar und ich weiß, warum sie so zickig geworden ist und wie man das ändern kann. Man muss einfach sehr lieb zu ihr sein und ihr zeigen, das es Spaß macht zu teilen mit anderen.“

„Ehrlich? Das ist ja fantastisch! Du meinst, sie kann auch freundlich sein?“

„Ja, natürlich. Auf jeden Fall. Ihre Eltern sind ein angesehenes Herzogenpaar in meinem Königreich und sie haben sie eine Zeit lang zu sehr verwöhnt. Aber im Grunde ihres Herzens ist sie ein guter Mensch.“

„Ich wusste es!“, sagte Maxi feierlich und erleichtert.
„Komm, wir gehen jetzt – ich glaube Chris und seine Bande sind jetzt schon weit weg.“

„Ja, lass uns los“, sagte Peter, der schon wieder ganz woanders war.

„Kommst du heute Nachmittag mit ins Schwimmbad?“

„Ja, gern, ich muss nur noch einmal vorher meine Mutter fragen und nach meinem Königreich sehen..Du verstehst..Ich habe Verantwortung! Und dann hole ich dich ab.“

„Natürlich! Das ist ja klar und ich verstehe!..Wow..du bist ein richtiger Held!“

Die beiden Freunde machten sich auf den Weg und tatsächlich war Chris schon über alle Berge und sie konnten in Ruhe nach Hause gehen.